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Vernehmungscoaching

Vernehmungscoaching


“Wir Menschen alle oder fast alle lieben es, unseren Annahmen Sicherheit zu geben oder, wenn wir einen Grund haben, ihnen zu glauben, sicher zu sein;

und doch sind einige wahrscheinliche Dinge unwahr, wie einige unwahrscheinliche Dinge wahr sind"

Aurelius Augustinus


"Alle Menschen sind Lügner"

Psalm 116, 11


Es ist fürwahr eine schwankende Brücke, die der Richter betritt,

wenn er auf einen Zeugenbeweis hin zu einer Verurteilung gelangt.

Max Alsberg


Nirgendwo wird so viel gelogen wie vor Gericht.

Rolf Bender, StV 1982, 484


Aus hundert Kaninchen wird niemals ein Pferd

und aus hundert Verdachtsgründen niemals ein Beweis.

Fjodor Michailowitsch Dostojewski, Schuld und Sühne


Die obigen Ausführungen geben nur eine Vorstellung davon, worum es bei der Wahrheitsliebe von Zeugen und Sachverständigen vor Gericht (und natürlich auch vorher) geht.


Darüber hinaus, oder vielleicht auch einschränkend, ist zu beachten, dass nicht jeder, der vor Gericht von der Wahrheit abweicht, auch tatsächlich lügt. Manchmal ist es nur die Wahrheit, die der Zeuge subjektiv empfindet. Vielleicht ist er einfach das Opfer einer suggestiven Verhörstrategie. Zeugen sind oft beeinflussbar. Dies gilt besonders für Kinder. Es ist sehr wichtig, hier zu unterscheiden, ob Sie es mit einem notorischen Lügner oder mit jemandem zu tun haben, dem zuvor "erklärt" wurde, was die Wahrheit ist.


Manchmal verkündet der Zeuge einfach "seine" Wahrheit. Ganz gleich, wie es dazu gekommen ist.

Stichwort: Pygmalion-Effekt oder Rosenthal-Effekt. Was steckt dahinter?


Es ist oft zu beobachten, dass Ermittler einen bestimmten Verdächtigen "ins Visier nehmen", auf den sich sodann die gesamte Ermittlungstätigkeit konzentriert. Man spricht dann von einer einseitigen, erkenntnisleitenden Ermittlungshypothese. Diese führt dann regelmässig zu einer Voreinstellung, die nach dem Prinzip der kognitiven Dissonanz funktioniert: Geht der Beamte vor der Befragung von einer bestimmten Situation aus, fragt er vorzugsweise nur nach den Informationen, die seine Vorurteile bestätigen und andere vermeiden. Umgekehrt besteht die Gefahr, dass Zeugen dem Vernehmenden zuliebe bestätigen, was dieser hören will (so genannter Pygmalion-Effekt).


Dieser Effekt geht auf den amerikanischen Psychologen Rosenthal zurück, der diesen Effekt bei Schülern und Lehrern erforscht hat. In Bezug auf unser Thema bedeutet dies, dass der Vernehmende einen "Lerneffekt" beim Zeugen auslöst. Der Zeuge merkt schnell, welche Informationen für den Vernehmenden offensichtlich erwünscht sind und welche nicht. Dies wird nicht nur dadurch erreicht, dass der Vernehmende dies explizit zum Ausdruck bringt, sondern vor allem dadurch, dass er nonverbale Zeichen aussendet, die dem Zeugen implizit signalisieren, dass diese Aussage gut oder weniger gut war. Dies kann z.B. durch Stirnrunzeln oder paralinguale Ausdrucksformen wie das Erheben der Stimme oder auf andere Weise durch jede Art von verbalen, nicht-vebalen oder paralingualen Ausdrucksformen geschehen. Dass der Vernehmende dies explizit zum Ausdruck bringt, ist nicht erforderlich.

Sobald der Zeuge "gelernt" hat, was der Vernehmende hören will, orientiert er sich an dieser Erkenntnis, was manchmal sogar zu vorauseilendem Gehorsam führt. Nach dem Kommunikationsmodell von Friedemann Schulz von Thun findet dieser Prozess auf der Appellationsebene statt.


Eine erste Fehlerquelle ist das sogenannte Vorgespräch. Dies gilt nicht nur für Zeugenaussagen, sondern vor allem auch für die Befragung von Verdächtigen. Bei diesen "Vorgesprächen" kommt es nicht selten vor, dass "Ermittler" "spontane Aussagen" generieren, die dann später bei der Vernehmung des Verdächtigen als solche erscheinen. Dies ist natürlich eine unzulässige Umgehung der Belehrungspflicht.


Ein beliebtes Spiel der Strafverfolgungsbeamten besteht darin, die befragte Person im Unklaren über die Rolle zu lassen, in der sie befragt wird. Wenn bereits klar ist, dass es sich um einen Verdächtigen handelt, muss er entsprechend informiert und belehrt werden. Auch Personen, die zunächst als Zeugen vernommen werden, können im Laufe der Befragung leicht zu Beschuldigten werden. Die notwendige "qualifizierte Belehrung" wird dann oft unterlassen. Dies teils aus Unwissenheit, teils ganz bewusst.

Wie Sie sehen, werden die Weichen für den Verlauf und das Ergebnis eines Strafprozesses bereits bei der ersten Kontaktaufnahme mit den Ermittlungsbehörden gestellt. Insofern ist es wichtig zu wissen, wie solche Mechanismen funktionieren, wie sie protokolliert werden und wie Sie den Ablauf und den Verlauf des Kontaktes mit den Ermittlungsbehörden bestimmen können.​

Ich berate und coache bundesweit Anwaltskanzleien in Fragen der Vernehmungslehre, der Vernehmungstaktik, der Vernehmungspsychologie und des Vernehmungsrechts. Ich erstelle zu diesem Thema Gutachten und vertrete diese auch vor Gericht. Ebenfalls beurteile ich aussagepsychologische Gutachten aus juristischer und aussagepsychologischer Sicht.

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